Der Gralmythos wie er im Mittelalter entstand, ist der Weg des Grünen Mannes un der
Weisen Frau. In ihm steht Parzival ("der durch das Tal geht") zentral. Vor
dieser Zeit war der Grüne Mann "nur" ein Vegetationsgott, der
"automatisch" das Gesetz von "sterben und Wiedergeburt" folgte, also
eher "unbewußt". Mit Parzival wurde "der Gral" zum spirituellen/
psychologischen Weg, ein Weg der der individuellen und überindividuellen!
Ganzwerdung dient. Die Wesensmerkmale sind folgende. Von der Mutter alleinerzogen (denke
an die heutigen Alleinerzieherinnen....), d.h. als Mitglied der alten Muttertradition
geboren worden. Seine Mutter beschützte ihn aus Angst daß er Ritter werden möchte,
sprich vom Ego, dem Patriarchat, verführt wird. Genau das passierte. Er tritt ein in die
Ego-phase seines Lebens, gekennzeichnet durch Selbstzentriertheit, Erfolg und Fehler.
Seine Mutter hatte ihn gesagt die Frauen zu respektieren bzw nach seiner Anima -
Intuition, Gefühl und Sanftheit - zu lauschen, was ihm nur schwierig gelang.
Nichtdestotrotz sind es immer wieder die (Weise) Frauen die ihn beraten und lenken.
Ergäntzt durch die Ratschläge einiger Onkel - "von Mutter's Seite" - Lehrer
die in das Geheimnis eingeweht sind. Sie erfüllen hiermit ihre eigene Rolle im Mythos,
nämlich die durch ihren direkten Kontakt mit dem Ewig-Weiblichen die Vorgänge
vorauszusehen und beeinflußen zu können.
Durch die ständige Kämpfe ermüht, bekommt er den Rat seine Mutter aufzusuchen, d.h.
sein Ego ist ausgetobt und er fragt sich "ob das alles war im Leben". Er kehrt
zurück zu seinem Geburtshaus (er kehrt in sich ein....), aber vernimmt daß sie tod ist.
Was heiß, er kann nicht in die frühere Abhängigkeit zurückkehren. Kurz danach bei der
"Gefährlichen Kapelle" sieht er plötzlich einen "Schwarzen Hand". Es
ist das Zeichen davon, daß er das Ultime - den Dunklen Abgrund des Kosmos, die
"Große Mutter" - genähert hat. Darauf wird er zu einem Burg geführt, wo sich
"der Gral" befinden sollte. Der Gral - Stein (schwarzer Meteorit), Kelch - ist
das Symbol der Kosmischen Mutter*. Also, statt seiner biologischen Mutter wird ihm die
Urmutter angeboten, die wirkliche Quelle allen Lebens. Er wird sehr freundlich von
Amfortas empfangen, der König der tödlich verwundet ist, aber nicht sterben kann. Das
Land ist dadurch in eine Wüstenei verwandelt, und alle hoffen auf einen Retter, der die
Gesundheit der Erde wiederherstellen kann. Abends wird gefeiert. Sieben Jungfrauen (Weise
Frauen) tragen den Gral* auf einem prächtigen grünen! satinen Tuch in den Saal und
zeigen ihn dem Parzival. Er genießt es außerordentlich, während er es "alles
einfach geschehen läßt", bzw sich nicht um die Bedeutung der ganzen Szene kümmert.
Die Erklärung: dem Parzival wurde die Erleuchtung beschert und in diesem Moment ist das
Ego verschwunden, also kann man tatsächlich auch nichts nachfragen. Aber nach diesem
Moment kommt das Ich wieder zurück. Um fruchtbar zu werden, soll auch das Ich verstehen,
was da passiert ist, denn die Erleuchtung ist mehr als ein persönlicher Glücksmoment.
Versteht man nämlich nicht, daß das Sein eine Verpflichtung zum Ganzen beinhaltet, dann
war die göttliche Bescherung umsonst.....
* Mal als "Faß des Überflußes", mal als "Stein"
beschrieben. Letztere ist ein schwarzer Meteorit, ebenfalls Symbol der Kosmischen Mutter
(Kybele)....
Diese Ignoranz kommt ihn teuer zu stehen. Denn am nächsten Morgen ist alle Glanz
verschwunden. Er hat sich einfach als unwürdig erwiesen. Er wurde deswegen mit der
totalen Abwesenheit des Ultimen konfrontiert. Letztere hatte sich von ihm zurückgezogen,
oder besser gesagt: die Kosmische Mutter zeigte jetzt Ihre destruktive Seite (um sein
Übermaß an Ego zu vernichten......). Er wurde total "auf sichselber
zurückgeworfen". Was eine neue Periode der Entfremdung einläutete: "Die Dunkle
Nacht der Seele". Diese ist deswegen so grausam, weil man jetzt um den Ursprung, die
letztendliche Erfüllung weiß, aber nicht im Stande ist sie zurückzubekommen. Es steht
gleich mit "hinabsteigen in die Unterwelt", die Dimension wo er schmerzhaft mit
den Resten seines Ego's konfrontiert wurde.
Parzival erlebte deswegen viele Jahre der totalen Deprivation, nichts hatte mehr
Bedeutung für ihn. Ohne Unterstützung von "oben" ist man wieder dem Ego
ausgesetzt, aber diesmal ohne irgendeiner Ehrgeiz, Ziel oder Erfüllung. Das Leben ist
total sinnlos geworden. Es ist eine Periode der Konfrontation mit seinem Schatten. Die
Aufgabe ist seine unterdrückten Emotionen, diese nämlich, die früher als Kind nicht
verarbeitet werden konnten, nachträglich zu integrieren. Das dauerte bei ihm - und bei
vielen von uns - viele lange harte Jahre. Noch am Ende dieser Periode wird er von der
häßlichen Kundrie, die die negative Seite der Großen Mutter verkörpert, beschimpft,
weil er nach einer so harten Schulung noch immer sein Ego bzw Eitelkeit nicht los ist. Und
tatsächlich, wenn man sein Leiden - das hervorragende Instrument bei der Überwindung des
Ego's schlechthin - nicht vollständig zuläßt, wird das Ego zu Widersacher. Die Gefahr:
ein ständiger Kampf gegen seine Negativität, die man aber nie loswird.....Nach dieser
letzten Prüfung bereut Parzival und betritt aufs Neue den Gralburg.
Wiederum wird ihm von den Jungfrauen (Göttinnen, Weise Frauen, die weil sie Frau sind
in diesem Geheimnis eingeweiht sind!)* den Gral gezeigt. Diesmal macht er den Fehler nicht
und fragt nach der Bedeutung für das Ganze bzw der Ursache des Königs' Krankheit. Er
zeigte damit, daß es nicht mehr um ihn selber geht, sondern um die Verbundenheit mit ales
und allem. Im selben Moment stehen alle auf und jubeln. Parzival hat die Prüfung
bestanden und alles hat sich schlagartig verwandelt. Der alte König ist versöhnt mit
seinem Sterben, das Land ist auf einmal wieder grün und üppig, die Menschen strahlen vor
Glück. Es ist definitiv die Bestätigung davon, daß es hier um die Ursprünglichen
Tradition der Mutter handelt. Parzival so stellt sich heraus, ist der nächste
Sakralkönig, der das Land wieder fruchtbar sein läßt, weil er die Bedeutung des Grals
versteht, nämlich als "Faß des Überflußes" - Kosmische Mutter - das er zu
dienen hat. Die vor-patriarchale Ära ist so wiederhergestellt, eine wo das
(Ewig)Weibliche und das Land eins sind. Der Parzival-Mythos is im Abendland der letzte
Versuch dieser Art gewesen. Es ist erst vor kurzem, daß der Gral bzw die Kosmische Mutter
Sich wiederum offenbart hat.....**.
* Das trifft nur zu wenn sie "genügend Weiblichkeit" besitzen. Viele
moderne Frauen sind genauso mit ihrem Ego und Männlichkeit identifiziert wie die Männer.
Das hat mit der Verwirklichung ihres "Animus" zu tun, eine an sich positive
Entwicklung. Werden sie jedoch davon beherrscht, werden sie blinde Unterstützer des
patriarchalen Systems (Karriere, Geld, Macht). Diese Frauen sollten dann eher dem Parzival
folgen....
** Siehe "Die Dreifache
Verwirklichung"
Es ist diese Schlußszene, die mit der ganzen Tradition der "sterbenden und
wiederaufstehenden Göttern" übereinkommt. Deswegen ist der Parzivalmythos die
mittelalterliche Fortsetzung desselben. Der Amfortas symbolisiert das Alte, das sich am
Ego klammert, nicht leben, aber auch nicht sterben kann. Parzival ist der junge Gott - der
Grüne Mann - der das Alte ablöst. Um das zu bewerkstelligen, mußte er aber erst um
seine Rolle wissen, seine Funktion im Ganzen. Weiß man das nicht, dann ist jede
Erleuchtung eine Verschwendung. Denn das ultime Ziel ist fruchtbar zu werden, zum
Wohle von allen und alles*.....Und was außerordentlich wichtig ist: nicht aus sichselber,
sondern im Auftrag von bzw Dienstbarkeit an das Allerhöchste, das was ihm seine Position
beschert hat, nämlich der Gral, die Alles-Umarmende Urmutter, die Leere jenseits der
Leere, das Faß des Überflußes....
* Der Gralmythos steht als praktische Anwendung zur Verfügung: siehe