"Vision of A New Culture"
The Great Learning

Mutter von Israel

G.Weiler "Ich verwerfe im Lande die Kriege", 1986 Frauenoffensive

Der Inhalt des Buches kurz zusammengefaßt

1. DIE VERGESSENEN WURZELN UNSERER
    KULTUR

           Am Anfang

Die frühe Menschheit erfuhr die transzendente Kraft als weiblich: bergend als Lebensraum, als Hülle, Höhle, Haus und überwölbenden Himmel — bedrohend als Todeslandschaft, als Gebirge, Wüste und Meer. Im Symbol machten die Menschen ihre Erfahrung anschaulich und verehrten die schöpferische Kraft als Königin des Himmels, als die Herrin der Welt.

          Die abenteuerliche Reise zu unseren Ursprüngen

führt uns vom Abendland ins Morgenland. Dort, im Vorderen Orient, ist der Schöpfungsmythos entstanden, auf den wir uns zurückführen, wenn wir Adam und Eva die „ersten Menschen" nennen. Im Alten Testament sind die gesellschaftlichen Normen geprägt worden, die unser Leben bestimmen. Die alttestamentlichen Grundbegriffe für patriarchale Männlichkeit und patriarchale Weiblichkeit beeinflussen noch immer unbewußt — und darum umso nachhaltiger — unsere Befindlichkeit in dieser Welt. Setzen wir uns aber bewußt und kritisch mit unseren Ursprüngen auseinander, begegnen wir dem matriarchalen Urgrund, in dem auch die alttestamentliche Religion verwurzelt ist.

          Ras-Schamrah — die Wiederentdeckung einer matriarchalen
          Kultur

An der syrischen Küste ist seit 1928 eine Ausgrabung von epochemachender Bedeutung im Gang. Bisher kannte man die kanaanäische Kultur nur vermittelt durch die Geschichtsschreibung anderer Völker. Zum ersten Mal tritt uns ein kanaanäischer Stadtstaat mit seinen Tempeln und Palästen, mit seiner materiellen und geistigen Kultur, vor allem aber mit einer Religion die wir bisher nicht gekannt haben, entgegen. Die Parallelen zum Alten Testament sind auffallend und fordern eine Revision der alttestamentlichen Exegese heraus.

          Der matriarchale Gottesbegriff

Der matriarchale „Gott" ist nicht der Vater, sondern der Sohn. Horus ist der Sohn der Isis, Adonis ist Astartes Sohn. Der matriarchale Gott ist nicht der Schöpfer, sondern das Geschöpf. Er ist nicht der Herr des Himmels, sondern verkörpert die Erde und ihre Vegetation. Der matriarchale Gott ist sterblich. Sein Kultträger auf dem irdischen Thron wird durch die hohepriesterliche Königin erwählt und mit dem Königsamt betraut.

Ba‘al bedeutet „Meister". Ad6n heißt „Herr" oder einfach „Mann". Auch Jahwe-Adonai ist — seinem ursprünglichen Verständnis gemäß —nichts anderes als „Herr" im Sinne der männlich-irdischen Entsprechung zur kosmischen Königin. Er ist der „Mann", das uranfängliche Mannesgeschöpf der Himmelsherrin. Im Sinnbild des Stieres sieht das matriarchale Bewußtsein die umfassende männliche Kraft verkörpert, den zeugenden Impuls. Wenn wir diese Kraft „Gott" nennen, projizieren wir einen Begriff, der erst durch die abendländische Bewußtseinsentwicklung entstanden ist, rückwärts in die Vergangenheit, in der das Männliche keine kosmische Dimension gehabt hat.

2. HAUPTTEIL

„Wir wollen der Himmelskönigin räuchern
und ihr Trankopfer darbringen!"

          Widerstand gegen tief verwurzelte Vorurteile

Das Alte Testament in seiner vorliegenden Form ist weit später entstanden als allgemein angenommen wird. Es ist ein Werk männlicher Weltdeutung und projiziert eine „einheitliche Geschichte und einen monotheistischen Gott an den „Anfang der Welt". Frauen sollten den Mut haben, der Autorität der „Väter" ihre eigene Weltdeutung entgegenzusetzen. Wenn wir die alttestamentlichen Texte von ihrem tendenziösen Überbau befreien, entstehen die matriarchalen Kultgesänge vor unseren Augen. Wir werden aber auch entdecken, daß der matriarchalen Frömmigkeit ein gesellschaftsbildendes Ethos innewohnt, das der willkürlich aufgesetzten Ordnung, die von der jüdischen Gesetzesreligion diktiert wird, weit überlegen ist.

          Es gibt keinen patriarchalen Urmonotheismus

Der „monotheistische" Gott Israels hat viele Namen, er ist El und El~Saddai, der Gott des Berges, er ist der „Starke" (Stiergott) Jakobs und erst spät wird die Vielzahl der „Erzvätergötter" durch die levitische Theologie mit Jahwe verschmolzen.

Der „monotheistische" Gott Israels hat viele Orte der Anbetung, an denen er nicht wirklich zu Hause ist. Er will allein in Jerusalem verehrt sein. Doch diese Stadt gehört Salem, dem Venusgott, und als höchster Gott Jerusalems wird El-eljon aufgefaßt, als dessen Gattin Aserat verehrt worden ist, wie uns nicht nur archäologische, sondern sogar biblische Zeugnisse lehren.

          Jahwe will der Bundesgott der nordisraelitischen Stämmen sein,
          doch der Bundesschluß mit den „zwölf" Stämmen erweist
          sich als rückwärts gerichtete Projektion. Schließlich will
          Jahwe der Wüstengott sein, der mit seinem Volk wandert. Und
          einige meinen, die Habiru, die Ur-Hebräer, ein Söldnervolk des
          Altertums, hätten die monotheistische Idee nach Palästina
          gebracht.

          Adam und Eva haben Jahwe nicht gekannt

Ein Gott bedarf der Anbetung. Doch weder mythologisch noch geschichtlich wird ein Subjekt der patriarchalen Jahwe-Religion greifbar. Abdi-Heba, ein Fürst auf Jerusalems Thron zu Zeiten des Pharao Echnaton, ist ein matriarchaler Fürst, der Abdi (Knecht) der Hepa (Eva), hat Jahwe nicht gekannt. Die Stämme Isra-Els haben El verehrt, wie ihr Name sagt.

          Tod, Wiedergeburt und Heilige Hochzeit Jahwes

Die Analyse der alttestamentlichen Wundergeschichten führt uns den matriarchalen Jahwe vor Augen, den Gewittergott des Berges, der die alljährliche Wiederkehr des Lebens auf der Erde verheißt: Sommer und Winter, Frost und Hitze...

Zahlreich sind die Kultgeschichten der Stammesheroinnen, die - nach einer Zeit der Unfruchtbarkeit - den Einen auserwählten Sohn zur Welt bringen. Das alljährliche Sterben des Kultkönigs wird zu banalen Erzählungen „historisiert", doch läßt sich der geschichtliche Haftpunkt solcher Berichte niemals ausmachen. Die Heilige Hochzeit, in der die Wiedergeburt Jahwes geschieht, wird zu unglaubwürdigen Erzählungen von Engeln, Priestern und gottgesandten Männern verfremdet.

          Zwölf Söhne ohne Vater

Lea und Rahel, den beiden matriarchalen Kultheroinnen Nordisraels, wird der zuwandernde Jakob als „Ehemann" angedichtet, und aus der matriarchalen Kultgeschichte wird die Abstammungs-Ideologie der alttestamentlichen Vätergeschichten.

          Jahwe, der Stier seiner Mutter

Der Begriff „Stier seiner Mutter" stammt aus Ägypten und bezeichnet den „Gott", der von der Himmelskönigin geboren, zum Manne erstarkt, in seine Mutter eingeht, um von ihr wiedergeboren zu werden. Während er selbst altert und stirbt, wächst er im Schoße seiner kosmischen Mutter zu neuem Leben heran. Die Ägypter nennen den Stier seiner Mutter den „Kamutef". Kamutef ist der Mond, die Sonne, ebenso der Pharao auf dem Thron. Diese Vorstellung ist auch für Israel bezeugt, wie eine Analyse der Sinai-Tradition beweist. Der Salomonische Tempel auf dem Berg Zion war eine Anbetungsstätte des Stier-, ‚Gottes‘ ‚.

          Das Leben des Mose währte tausend Jahre

Moses ist seiner Herkunft nach ein matriarchaler Mann, der nach Midian zieht und dort die Schafe seiner Frau hütet. Er ist der matriarchale Kultträger, von einer Priesterin geboren, der Heros, Held und Erlöser seines Volkes, er ist der „Stier seiner Mutter", kraftbegabt und zur Wiedergeburt berufen. Der Untergang des ägyptischen Königs im Meer — der matriarchalen Todeslandschaft — ist Kultlegende. Moses stirbt, geheimnisvoll verklärt, auf einem Berg.

Die Angst des Vaters vor dem Nachfolger — ein kollektiv-psychologisches Problem patriarchaler Bewußtseinsentwicklung — kristallisiert sich an die Gestalt des Mose an: wie Ödipus und Paris wird er als der „Sohn" aufgefaßt, durch dessen Geburt sich der „Vater" bedroht fühlt.

Die levitische Theologie macht Moses zum Träger der patriarchalen Gesetzgebung. Von den 613 Einzelgeboten des „mosaischen Gesetzes" hat Moses nicht ein einziges gekannt.

          Ich eine Mutter in Israel

Wir werden mit drei Frauengestalten des Alten Testaments bekannt: Mit Debora, der Richterin in Ephraim, die selbstbewußt „Ich!" zu sagen weiß. Wir lernen die Mutter Simsons kennen, eine Priesterin der Sonnengöttin, die zur anonymen Frau verkommen ist. Hanna, die Mutter Samuels, einst eine matriarchale Kultheroin, hat in der Bibel nur noch ein traurig-patriarchales Mutterschicksal.

          Vom Kultkönigtum zur politischen Königsmacht

Saul ist der matriarchale Kultträger, der „Erbetene" (Sa-Ul), der Auserwählte von Mutterleib an. Seine Wahl zum Stammesführer folgt archaisch-matriarchaler Tradition. Erst nachträglich wird diese Überlieferung von der Samuelgeschichte umklammert, die suggerieren will, Samuel habe Saul zum „ersten" König Israels designiert, und es habe vorher in Israel kein Königtum gegeben.

          Die Davidlegende

bemäntelt Davids Charakterfehler und macht aus einem gewissenlosen Eroberer den „Liebling Gottes", der seinem Gott jeden Erfolg durch seine absolute Jahwetreue abringt. Der David der Legende verkörpert — psychologisch gesehen — das Prinzip patriarchaler Weiblichkeit: er ist angepaßt, gehorsam, bescheiden, sanftmütig und fromm, klein, zierlich, „bräunlich und schön". Edelmütig verschont er den Feind. Den Kampf überläßt er seinem Gott; denn Jahwe verkörpert in der Davidlegende das Prinzip patriarchaler Männlichkeit:

Machtvoll und aggressiv regiert der patriarchale Jahwe als „herrlicher Kriegsgott", er regelt alles durch rigorose Gesetze, verlangt unbedingten Gehorsam und irrt nie. Patriarchale Männlichkeit tritt uns auch in der Person des geschichtlichen David entgegen. Sowenig der weibische David der Legende mit dem geschichtlichen brutalen Eroberer David zu einer integren Persönlichkeit verschmelzen kann, führt die Integration patriarchaler Weiblichkeit in das eindimensional entwickelte Prinzip patriarchaler Männlichkeit zu ganzheitlicher Menschlichkeit. Der ganzheitliche Mensch ist nur wiederzugewinnen durch Re-Integration des männlichen Prinzips in das umfassend Matriarchale, durch Zurücknahme des patriarchalen Machtanspruchs und durch Verzicht auf das einseitig entwickelte aggressive Potential.

          Die geschichtliche Persönlichkeit Davids

David sammelt eine Bande entwurzelter Leute um sich, deren Truppenführer er wird. Diese Leute fristen ihren Lebensunterhalt durch Erpressung und räuberische Überfälle. David spielt ein Doppelspiel, als er Lehensmann der Philister wird und gleichzeitig Geschenke an die Ältesten der Südstämme schickt. Durch Heiraten mit einflußreichen Frauen schafft sich David die gesellschaftliche Stellung, die seine „Erwählung" zum König möglich macht. Sein „Gottesstaat" geht weit über den angeblichen „Zwölfstämmebund" hinaus. David hat nicht Jahwe gemeint, sondern die Macht.

          Heilige Hochzeit im Schatten der Macht

Die Nachfolge auf dem Thron wird noch immer durch matriarchale Kultpraxis vermittelt. David hat mit den Erbinnen zahlreicher eroberter Fürstentümer Ehen geschlossen. Die Söhne dieser unterschiedlichen Mütter können durch die Heilige Hochzeit den Kult-thron in ihrem Mutterland erwerben. Um die Herrschaft über das davidische Großreich kommt es zwangsläufig zum Nachfolgekampf. Bevor Salomo in Jerusalem König wird, haben sich seine älteren Brüder durch den heiligen Kult für das hohe Königsamt legitimiert. Doch sie werden ermordet. Die Heilige Hochzeit ist in den Schatten der Macht geraten.

          Heilige Hochzeit im Licht der Liebe

Das Hohelied Salomos ist ein Kultlied, das zur Feier der Heiligen Hochzeit in Jerusalem gesungen worden ist. Seine Sprache zeugt von der selbstbewußt werbenden, in der Liebe führenden Frau. Durch die Jahrhunderte hindurch ist besonders dieser Bibeltext immer wieder bearbeitet und ausgelegt worden. Es hat den Anschein, als löse die offene, sehnsuchtserfüllte Liebessprache der Frau eine tiefe Erschütterung aus, rühre längst Vergessenes und tief Verdrängtes an, als würden Reichtum und Reife einer Liebesbeziehung bewußt, in der gleichwertige Menschen - durch keine rigide Moral eingeschüchtert - ihre Gefühle frei zum Ausdruck bringen.

          Die Krone, mit der seine Mutter ihn krönte

Von Salomo wird berichtet, daß seine Mutter ihn krönte. So sehr die alttestamentliche Geschichtsschreibung diese Aussage des Hohenliedes zu widerlegen sucht, wird die kultische und gesellschaftliche Stellung der Frau im Reich Juda dennoch deutlich. Die Königin auf dem Thron ist die Gebira, die Herrin, der umfassende gesellschaftliche und politische Rechte zustehen.

          Israel wird verwüstet werden am Tage der Bestrafung

Zwischen den einander bekämpfenden Großmachtblöcken im Vorderen Orient werden die palästinensischen Kleinstaaten zerrieben. 722/ 21 fällt Israel dem Ansturm Assurs zum Opfer, 589 v. Chr. löscht der Babylonier Nebukadnezar den Staat Juda aus. Die alttestamentliche Geschichtsschreibung reagiert auf diese Ereignisse mit der Verherrlichung der Macht, mit der Ideologie, daß irdische Macht durch Treue zu Jahwe zu gewinnen sei.

          Vom Schicksal des matriarchalen Bewußtseins

Gesellschaftliche Tradition, Kultus und Sprache folgen nur zäh der patriarchalen Bewußtseinsentfaltung. Aus den alttestamentlichen Texten läßt sich nachweisen, wie matriarchale Bewußtseinsinhalte durch die patriarchale Denknorm überlagert worden sind. Wir können verfolgen, wie eine matriarchale Kultformel für den „heiligen Krieg" mißbraucht wird. Der matriarchale Jungfrauen-Begriff pervertiert unter dem männlichen Besitzanspruch auf die Frau. Der matriarchale Heilsgedanke wird durch die messianische Erwartung des patriarchalen Weltenherrschers verdrängt. Die kultische Symbolsprache der Heiligen Hochzeit wird zu allegorischen Reden verfremdet, die der „Bräutigam Jahwe an seine Braut Israel‘ hält. Doch die Braut des heiligen Kultes ist verstummt. Die alles durchglühende Liebe verliert ihre integrierende Kraft. In übermächtigen Stiersymbolen wird männliche Sexualität als abgespaltener Wert eindimensional hochstilisiert, während weibliche Sexualität verteufelt und unterdrückt wird.

          Geborgte Moral

Vom Alten Testament geht die überwältigende Suggestion aus, daß erst patriarchale Sitten und Gesetze ein geordnetes Zuammenleben unter Menschen möglich gemacht hätten. Doch alle Weisheit in der Bibel, auf die sich Jahwe beruft, ist geborgte Moral und entstammt dem matriarchalen Urgrund. Jahwe hat sich die matriarchale Weisheit, die am Anfang aller Dinge war, ebenso angeeignet wie Zeus die Weisheitsgöttin Metis verschlang, ebenso wie der ägyptische Sonnengott Re die Ma‘at, die uranfängliche matriarchale Weisheit, zu seiner Tochter machte.

Die innewohnenden Ordnungen des matriarchalen Bewußtseins sind der aufgesetzten Gesetzlichkeit der Patriarchate weit überlegen. Es ist Zeit, die matriarchale Weisheit wiederzuentdecken und ihre Bedeutung für unsere Überlebensmöglichkeiten bewußt zu machen.

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Last revising: 05/07/05